Selbstverständnis_komplett

Selbstverständnis machtkritische Supervisor*innen

Supervision ist ein Beratungsformat für die berufliche Arbeit. Sie kann von Einzelnen, Teams oder Gruppen genutzt werden. In der Supervision wird das berufliche Handeln systematisch reflektiert: neben der Reflexion der Situation der Adressat*innen und ihrer Lebensumstände werden die individuelle Ebene der Supervisand*innen, ihre Stellung im Gefüge der Institution und der Kontext des Arbeitsauftrags im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang miteinander verbunden. So können Dynamiken, die das berufliche Handeln beeinflussen, besser verstanden werden. Ziel eines Supervisionsprozesses ist es, neue Perspektiven einzunehmen, Handlungsfähigkeit zu erweitern, Veränderungsbedarf aufzuspüren und emanzipatorische Prozesse zu initiieren.

Eine wichtige Perspektive in der supervisorischen Analyse- und Reflexionsarbeit ist die Berücksichtigung von Machtverhältnissen und Diskriminierungssituationen. Da wir die Berücksichtigung von Machtverteilung und Diskriminierungssituationen in Arbeitszusammenhängen nicht als selbstverständlich erleben, möchten wir auf ihre Relevanz aufmerksam machen.

Der Zugang zu und die Ausübung von Macht sind Schlüsselfaktoren sowohl für Ermächtigung und Wirksamkeit als auch für Diskriminierung und Ohnmachtssituationen. Es ist deshalb wesentlich, in einem Supervisionsprozess zu berücksichtigen, wer Zugang zu Macht hat und wer nicht, und wer von Diskriminierung betroffen ist und wer nicht. Denn Diskriminierung ist sowohl in den Lebenssituationen der Adressat*innen als auch in den Arbeitskontexten der Supervisand*innen ständig wirksam.

Wir verstehen Machtverteilung und Diskriminierungsverhältnisse nicht als zufällige oder auf individueller Ebene ausgehandelte Prozesse und Situationen, sondern als gesellschaftliche Strukturprinzipien, die auf der Ebene von institutionellem und individuellem Handeln ausagiert werden. Personen und deren Interaktionen sind in diskriminierende gesellschaftliche Strukturen eingebunden und können nicht losgelöst von diesen handeln. Es besteht aber die Chance zur Veränderung, wenn die Strukturen und Interaktionen bewusst gemacht werden.

Supervision als Analyse-, Reflexions- und Beratungsformat ist insofern im höchsten Maße geeignet und gefordert, Macht – und Diskriminierungsverhältnisse mitzudenken und zu thematisieren. Supervision schafft einen Raum, in dem gesellschaftliche Verhältnisse sichtbar gemacht und damit bearbeitbar werden.

Es ist notwendig, die gesellschaftliche Positioniertheit von Supervisand*innen und deren Adressat*innen zu berücksichtigen, damit ihre unterschiedlichen Zugänge zu Macht und die unterschiedliche Betroffenheit bzw. nicht- Betroffenheit von Diskriminierung in der Reflexion der Interaktionsdynamik mitgedacht werden können. Supervisand*innen können Folgen von Diskriminierung bei sich und den Adressat*innen erkennen und die Erfahrungen als Diskriminierte thematisieren und einordnen. Ebenso kann die Dynamik, selbst aktiv zu diskriminieren, offengelegt werden.

Auf gesellschaftlicher Ebene generieren Diskriminierungsvorgänge Normalitätsvorstellungen, die wiederum sehr wirkmächtig sind. Solche Normalitätsvorstellungen können in einer gemeinsamen supervisorischen Reflexion hinterfragt werden, um neue Perspektiven für das Verhalten von Adressat*innen und Supervisand*innen zu gewinnen.

Machtkritische Supervision bietet die Chance, einen dritten Raum zu eröffnen, der den Umgang mit Macht auf verschiedenen Ebenen reflektiert, Ideen für neue und andere Verhaltensoptionen hervorbringt und damit emanzipatorische Entwicklungen von Personen, Gruppen und Institutionen möglich macht. Machtkritische Supervision zeigt auf, was da ist und strebt gleichzeitig nach Veränderung. Sie geht ständig mit dem Spannungsfeld um, diskriminierende gesellschaftliche Verhältnisse wahrzunehmen und bewusst zumachen um dann nach Freiräumen und neuen Handlungsoptionen zu suchen. Machtkritische Supervision unterstützt Prozesse, kritisch und widerständig zu denken und erarbeitet Strategien des Empowerments* und Powersharings*.